Viele Handwerker sehen eine Inventur als lästig an. Tatsächlich kann gerade die körperliche Inventur zum Jahresabschluss zeitraubend und belastend sein, kostet diese doch viel (unproduktive) Zeit und bindet deine Mitarbeiter. Dabei geht es nicht nur um das Zählen von Waren und Produkten im Lager oder Regalen. Richtig durchgeführt kann eine Inventur einem Unternehmen auch einige Vorteile bringen, die über die reine Bestandserfassung hinausgehen. In diesem Artikel erfährst du darüber sowie mehr über verschiedene wichtige Aspekte der Inventur. Außerdem bekommst du wertvolle Tipps zur reibungslosen Durchführung!
Handwerksbetriebe, die verpflichtet sind, eine Bilanz zu erstellen, kommen nicht darum herum, einmal im Jahr eine Inventur durchzuführen – mit wenigen Ausnahmen. Aber selbst, wenn du nicht dazu verpflichtet sein solltest, kann sich eine freiwillige Inventur lohnen. Denn bei der Bestandsaufnahme werden Menge und Wert aller Vermögensgegenstände sowie Schulden eines Betriebes lückenlos erfasst. Sie bildet so die Basis der Bilanz und stellt den realen Ist-Zustand fest. In Handwerksbetrieben kommt vor allem die sogenannte „körperliche“ Inventur zum Einsatz, bei der die Lager- bzw. Warenbestände – je nach Art – durch Zählen, Wiegen, Messen oder auch Schätzen ermittelt und in einer Inventurliste festgehalten wird.
Bist du zur Inventur verpflichtet?
Eine Inventurpflicht besteht nach § 240 des Handelsgesetzbuches (HGB) sowie § 140 ff der Abgabenordnung (AO) und betrifft grundsätzlich alle Kaufleute und gewerbliche Unternehmer, die auch bilanzierungspflichtig sind. Ausnahmen bestehen u. a. für Freiberufler oder Unternehmer, deren Betrieb nicht im Handelsregister aufgeführt ist. Ebenfalls von der Pflicht befreit sind Einzelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als jeweils 600.000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 60.000 Euro Jahresüberschuss aufweisen.
Wann muss eine Inventur durchgeführt werden?
Es gibt gesetzlich bestimmte Zeitpunkte, zu denen einen Inventur vorgenommen werden muss. Dazu gehören die Eröffnung, Übernahme sowie Schließung bzw. Veräußerung eines Unternehmens. Jährlich vorzunehmen ist eine Inventur zum Ende des Geschäftsjahres.
Arten der Inventur
Es gibt verschiedene Arten der Inventur, die den Termin und die Vorgehensweise bestimmen.
- Stichtagsinventur
Die Stichtagsinventur ist der Regelfall. Alle Bestände werden an einem festgelegten Datum erfasst. Dieses wird häufig mit dem Bilanzstichtag zusammengelegt, dem letzten Tag des laufenden Geschäftsjahres. Der Vorteil: Du erfasst mit der Stichtaginventur den genauen Vermögens- und Schuldenstand deines Betriebes zum Ende des Wirtschaftsjahres, d. h. du musst keine wertmäßige Fortschreibung bzw. Rückrechnung durchführen. Allerdings ist der organisatorische Aufwand bei einer Stichtaginventur relativ groß, es fehlt die Flexibilität und der Zeitdruck kann zu einem erhöhten Fehlerrisiko führen. - Zeitnahe Inventur
Bei der zeitnahen Inventur kann die Bestandsaufnahme bis zu zehn Tage vor oder nach dem Bilanzstichtag erfolgen. So kannst du die Inventur terminlich auf deinen Betriebsalltag abstimmen. Dies senkt den Druck für alle Beteiligten und vermindert das Risiko, das Fehler gemacht werden. - Verlegte / Zeitverschobene Inventur
Bei dieser Methode kann die Inventur innerhalb von drei Monaten vor dem Ende des aktuellen Geschäftsjahres erfolgen oder bis zu zwei Monate danach. Die Notwendigkeit einer Verschiebung muss dabei nachvollziehbar sein, du musst also erklären, warum du die übliche Frist nicht einhalten kannst. Um das Vermögen und die Schulden trotzdem zum Bilanzstichtag festzuhalten, ist eine wertmäßige Fortschreibung bzw. eine Rückrechnung erforderlich. Diese zusätzliche Berechnung birgt jedoch ein gewisses Fehlerpotenzial. - Permanente Inventur
Bei der permanenten Inventur müssen alle Warenbewegungen über das gesamte Geschäftsjahr sorgfältig in einem Lagerbuch bzw. innerhalb eines Warenwirtschaftssystem festgehalten werden. Einmal im Jahr muss außerdem jeder Gegenstand gezählt, gewogen, gemessen bzw. bei bestimmten Gütern fundiert geschätzt werden. Hier kannst du aber selbst entscheiden, welche Warengruppen du zu welchem Zeitpunkt können aber etappenweise an selbst bestimmten Stichtagen betrachten möchtest. Diese Methode bietet dir eine große Flexibilität, da du den Inventuraufwand auf verschiedene, für dich günstige Termine verteilen kannst. Auf der anderen Seite darfst du dir beim Führen deines Lagers keine Fehler erlauben und akribisch alle Zu- und Abgänge von Waren aufzeichnen, weshalb sich ein elektronische Waren- bzw. Lagerwirtschaft empfiehlt. - Stichprobeninventur
Hierbei werden -wie der Name schon sagt – Stichproben jeder Warengruppe genommen und mittels mathematisch-statistischen Methoden hochgerechnet. Für diese Inventurart musst du eine Genehmigung vom Finanzamt einholen. Nur wenn eine Vollinventur für dich wirtschaftlich nicht zumutbar wäre und noch weitere Kriterien erfüllt werden, wird das Finanzamt einer Stichprobeninventur zustimmen.
Folgen einer nicht durchgeführten oder fehlerhaften Inventur
Eine fehlerhafte Inventur kann für dich teuer werden. Werden durch einen Betriebsprüfer Unstimmigkeiten oder grobe Fehler entdeckt, kann es zu Steuerschätzungen, Sicherheitszuschlägen, einer Anpassung des Warenbestandes (und damit zu höheren Steuern) sowie zu Steuernachzahlungen kommen. In besonderen Fällen kann sogar ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet werden.
Falls du trotz der Pflicht zur Inventur keine Bestandsaufnahme machst, fehlt dir die Grundlage für deine Buchführung und für deine Bilanz. Dann kann das Finanzamt deine komplette Buchführung ablehnen. Das wiederum hat eine Gewinnschätzung zur Folge, die höchstwahrscheinlich zu deinen Ungunsten ausfallen und deinen Betrieb finanziell stark belasten wird!
Deine Vorteile einer Inventur
Die Durchführung einer Inventur bietet dir viele wichtige Rückschlüsse bzw. Erkenntnisse – und somit handfeste Vorteile für deinem Handwerksbetrieb. Diese sind nicht zu unterschätzen und wirken sich mitunter essenziell auf deinen Erfolg aus!
- Effizientes Bestands- und Bestellmanagement
Eine Inventur hilft dir dabei, die Übersicht über deinen Warenbestand zu behalten. Wenn du deine Lagerbestände regelmäßig präzise ermittelst, kannst du vorausschauender planen und deine Material-Bestellungen optimieren, da du Bestellmengen wesentlich besser steuern kannst. Das reduziert sowohl Engpässe als auch Überbestände, senkt deine Lagerkosten und erhöht schließlich die Liquidität deines Betriebes.
- Finanzielle Transparenz
Die Inventur wirkt sich direkt auf die finanzielle Gesundheit deines Betriebes aus. Denn diese beeinflusst den Wert des Vermögens und damit die Bilanz. Eine genaue Inventur ermöglicht es dir, deine finanzielle Situation realistisch zu bewerten und Finanzberichte verlässlich zu erstellen. Dies ist wichtig für geschäftliche Entscheidungsfindungen und für die Kreditwürdigkeit, aber auch für eine mögliche Investorenbeteiligung. - Diebstahl- und Betrugsprävention
Eine ordentlich durchgeführte Inventur kann dazu beitragen, dass du in deinem Betrieb Diebstähle und Betrug schnell aufdecken kannst. Das Wissen um regelmäßige und genaue Inventuren kann zudem Betrugsfälle im Idealfall im Vorfeld verhindern. Das schützt die Vermögenswerte deines Betriebes. - Pflicht zur Inventur sicher erfüllen
Eine vernachlässigte Inventur kann zu rechtlichen Konsequenzen und Steuerproblemen führen. Um solche von Anfang an zu umgehen, ist die ordnungsgemäße Durchführung von Inventuren für deinen Handwerksbetrieb von entscheidender Bedeutung. So vermeidest du unnötige Schwierigkeiten!
Die 5 Top-Tipps zur Inventur
Damit deine Inventur möglichst reibungslos verläuft, solltest du diese genauestens planen. Die nachfolgenden Tipps helfen dir dabei:
Wähle den richtigen Zeitpunkt
Je nach Inventurart kannst du selbst festlegen, wann du die Bestandsaufnahme durchführst. Ist gerade Hochbetrieb in deinem Betrieb, ist der Zeitpunkt natürlich äußerst schlecht. Suche dir deshalb ein Zeitfenster, in dem die Auftragslage eine körperliche Inventur erlaubt und dir genügend Mitarbeiter zur Verfügung stehen.
Teile deine Mitarbeiter ein und weise sie ein
Wähle deine Mitarbeiter frühzeitig und sorgsam aus. Blocke den Inventurtermin im Vorfeld, damit an dem Termin niemand Urlaub nimmt, keine anderen Termine gesetzt werden und sich alle auf die Inventur einstellen können. Falls du Hilfskräfte engagieren möchtest, solltest du dich im Voraus darum kümmern, damit es am Tag der Inventur zu keinen Personalengpässen kommt. Vor der eigentlichen Bestandsaufnahme solltest du alle Mitarbeiter bestmöglich vorbereiten: Dazu weist du ihnen genaue Aufgabenbereiche zu, erläuterst den Ablauf und erklärst die Regeln, die es zu beachten gilt, z. B. wie die Inventurlisten zu füllen sind. Während der Inventur sollte es eine zentrale Anlaufstelle für Mitarbeiter geben, falls Fragen oder Schwierigkeiten auftreten. Je nach Betriebsgröße kannst du auch einen Verantwortlichen bestimmen, der den Ablauf der Inventur überwacht.
Zweier-Teams einsetzen
Eine Doppelbesetzung hat sich bei vielen Betrieben bewährt, denn zu zweit ist eine Inventur schneller und sicherer erledigt: der eine zählt, misst oder wiegt, während der andere alles in die Inventurliste einträgt. Zudem kann man sich abwechseln, um den Fokus zu behalten.
Inventur vorbereiten
Eine gute Organisation ist auch bei der Bestandsaufnahme das A und O: Sorge dafür, dass der Ort der Inventur vorbereitet ist. Das bedeutet unter anderem, dass du ausreichend Platz schaffen, das Arbeitsmaterial (Stifte, Taschenrechner etc.) zusammenstellen und die Inventarlisten ausdrucken solltest. Zudem sollten alle Artikel vernünftig gekennzeichnet sein, so dass die Mitarbeiter die in den Inventurlisten aufgeführte Waren eindeutig zuordnen können. Eine vorausschauende Vorbereitung verhindert Verzögerungen im Ablauf und spart damit wertvolle Zeit. Je nach Lagergröße und Artikeln können sich Inventurwaagen lohnen, um Zeit und Aufwand zu reduzieren.
Digitale Unterstützung nutzen
Eine passende ERP-Software kann viele Prozesse rund um die Inventur und die Lagerhaltung optimieren. Beispielsweise können je nach Software die Zählbestände auch direkt digital per Mobilgerät oder Barcodescanner festgehalten werden. Das spart nicht nur Papier, sondern auch enorm Zeit – schließlich müssen die Daten der Inventarzettel nicht händisch in die Software eingegeben werden. Später können Soll- und Ist-Stände leicht in der ERP-Lösung miteinander verrechnet und so auffällige Differenzen schnell erkannt werden.
Was muss auf einer Inventurliste stehen?
Die meistens tabellarisch geführten Inventurlisten unterscheiden sich von Betrieb zu Betrieb, müssen aber die folgenden Angaben enthalten:
- Bezeichnung des Artikels
- Artikelnummer (zur genauen Identifizierung)
- Menge
- Einheit (Stück, Liter, Meter etc.)
- Gesamtwert (in Euro)
Dazu dürfen die Angaben zum Unternehmen, das Datum und die Namen der durchführenden Mitarbeiter nicht fehlen. Inventurlisten müssen zudem mit fortlaufenden Nummern geführt werden.
Im Internet findest du kostenlose Vorlagen, in der Regel sind aber auch in deiner verwendeten Bürosoftware passende Inventarlisten verfügbar.
Nicht vergessen: Festgestellte Differenzen buchen
Sollte sich bei der Auswertung herausstellen, dass es bei der Inventur Differenzen zwischen Soll- und Ist-Zustand gibt, müssen die ermittelten Fehlmengen natürlich in der Buchhaltung entsprechend umgebucht werden. Auch hier ist eine passende Software eine große Hilfe, damit die Inventur schnell und sicher abgeschlossen werden kann.
Fazit: Eine ordentliche Inventur lohnt sich immer!
Du solltest die Inventur nicht als lästige Aufgabe betrachten, sondern vielmehr als eine Möglichkeit, deine Geschäftsprozesse zu verbessern und den langfristigen Erfolg deines Betriebes zu sichern.
Denn die Inventur zeigt dir transparent, wo du am Ende des Geschäftsjahres stehst, unterstützt dich beim Optimieren deines Bestands- und Bestellmanagements und kann Betrug und Diebstahl aufdecken bzw. sogar präventiv verhindern. Eine gute Vorbereitung sowie der Einsatz einer geeigneten ERP-Software reduzieren den nötigen Aufwand einer Inventur drastisch!
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